Over! – 80 Jahre Ende 2. Weltkrieg

2025 ist das Jahr eines wichtigen Jubiläums: 80 Jahre ist es her, dass der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen ist – und mit diesem auch eine Zeit politischer und gesellschaftlicher Repressionen. In der Ausstellung „Over!“, zu sehen vom 23. Oktober bis zum 05. Dezember 2025 in der StadtHausGalerie Sonthofen, geht es um die innere Erlebniswelt der Opfer verbunden mit der Hoffnung auf Aufbruch und Veränderung. Es stellt sich die Frage, wie die Betroffenen die Zeit der Unterdrückung und Qualen erlebten und überlebten? Konnten sie sich ihre Menschenwürde und den Hoffnungsschimmer auf neue Zeiten erhalten? 

Esther Glück, "Teich" © Tom Gottschalk
Susanne Hanus, "Achtung Verstrickungen" © Justine Bittner
Waltraud Funk, "Still" aus "Video Michael Lerpscher"

In der Ausstellung dreht es sich nicht um eine historische, politische oder faktische Aufarbeitung der NS-Zeit. Vielmehr sollen durch die Augen der Kunstschaffenden und mithilfe ihrer besonderen Wahrnehmungsfähigkeit die tief vergrabenen Erfahrungen sichtbar machen. Der Besucher wird über die Gefühlswelt oder Lebensumstände der Opfer an das Thema herangeführt und hat so die Möglichkeit zum Perspektivwechsel. In diesem Sinn werden weniger die Verletzungen gezeigt, sondern die Verletzlichkeit an sich aufgezeigt.

Es nehmen Kunstschaffende teil, die sehr persönlich mit der Opfergeneration verbunden sind, sowie auch VertreterInnen der zweiten und dritten Generation, die sich dem auch nach Jahrzehnten noch sehr präsenten Thema nicht entzogen haben. Gezeigt werden Werke von: Lydia Bergida und Marco Limberg, Waltraud Funk, Esther Glück, Susanne Hanus, Monika Mendat, Amrei Müller, Marlies Poss und Blanka Wilchfort.

Kunstschaffende

Lydia Bergida und Marco Limberg fotografieren soziale, politische und gesellschaftliche Themen mit Fokus auf Menschen und demokratische Werte. In ihrem Werk „Auf derselben Seite“ porträtieren sie einige der letzten lebenden "Gerechten unter den Völkern", die im Nationalsozialismus Juden retteten und dafür von "Yad Vashem" geehrt wurden. Ihre Hommage gibt diesen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs eine Stimme, mahnt vor der Gefährdung von Demokratien, Hass, Antisemitismus und Krieg und ruft zu Verantwortung, Menschlichkeit und Zivilcourage auf.

© Waltraud Funk

Ein Schicksal aus der näheren Umgebung: Michael Lerpscher, ein Landwirtssohn aus Wilhams, wurde 1940 von den Nationalsozialisten in Berlin hingerichtet. Der Vorwurf lautete „Wehrkraftzersetzung“ – er hatte den Dienst an der Waffe verweigert. Abgesehen von einer kleinen Gedenktafel an der Kapelle in Wilhams finden sich im Allgäu kaum Spuren seiner Geschichte. Doch Materialien des Gedenkens müssen, wie diese Arbeit zeigt, nicht zwangsläufig Betonstelen, Messingtafeln oder Bleiplatten sein – würdige Erinnerung kann sich auch im schmerzlichen Kratzen einer Rohrfeder über ein unbeschriebenes Blatt manifestieren.

„[...] Eine künstlerische Manifestation, die in den Erinnerungen Liese Einsteins, einer Überlebenden des Holocausts, ihren Ursprung hat, begegnet dem Betrachter in Form von 17 Früchtetellern aus Seidenpapier. Mit Granatäpfeln bestückt, wirken sie wie schwimmende Seerosen [...] lm wirklichen Leben von Liese Einstein jedoch besaß ein bestimmter Teller einen besonderen Erinnerungswert: Vor der Deportation der Familie Einstein war er in Freundschaft und Dankbarkeit einer Nachbarin übergeben worden, die ihn nach dem Krieg an Liese zurückgab. [...]“ 

(Aus: Dr. Karl Murr, "Ein Garten der Erinnerung – Esther Glücks ästhetische Kultivierung der Geschichte", Augsburg 2017)

© Foto: Heribert Riesenhuber

Die Arbeit "Verstrickungen" macht Verbindungen und Abhängigkeiten sichtbar. Diese können überall gedacht werden und symbolisieren Zusammenhänge und Wirkungen, die der einzelne Mensch oft nicht überblickt. Die Fäden können als Verkörperung der Lebenswege von Menschen während des Zweiten Weltkriegs gelesen werden – Wege, deren Erfahrungen und Leid bis in die Gegenwart hineinwirken.

„Reise nach Czernowitz“ gibt Einblicke in eine Drei-Generationen-Reise zurück an den Ort, von dem die Großmutter 1940 „heim ins Reich“ geholt worden war.

„Kranich fliegen lassen“  dokumentiert die Übergabe von 1000 Kranichen an das Kinder-Friedensdenkmal in Hiroshima.

Monika Mendat floh Ende der 1970er- Jahre gemeinsam mit ihren Eltern nach Deutschland. Ihre Mutter stammt aus Oświęcim (Auschwitz). Die international tätige Künstlerin präsentierte Anfang 2025 anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, im Deutschen Bundestag die Ausstellung „Befreiung“. Den Kern ihres Werkes bilden Acrylporträts, inspiriert von Originalfotografien aus dem Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, und abstrakte Bilder, die von Verzweiflung und Hoffnungs- losigkeit zeugen. Weitere Arbeiten wurden in der Ausstellung „Opferperspektiven“ im Münchner Gasteig gezeigt, die unter der Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch stand.

© Foto: Oliver Sterk

Amrei Müllers Plastiken sind körperlich präsent und wirken zugleich abwesend, melancholisch, sehnsuchtsvoll. So eröffnen sie einen zeitlosen, erweiterten Raum jenseits des greifbaren Ortes und des Betrachters. Sie loten die Beziehungen zu sich selbst und zueinander aus und vereinen Gegensätze: Abkapselung und Verbindung, Zerstreuung und Fokussierung. Dem eher kalten, starren Beton steht Holz als Sinnbild für Leben, Wärme und Wachstum gegenüber. Hinzu tritt Epoxidharz – ein Material, das durch seine Transparenz zunächst kaum in Erscheinung treten will und fast zu verschwinden scheint.

© Foto: Peter Vevier

Marlies Poss greift archetypische Formen auf und macht durch sie Verluste und Verwandlungsprozesse sichtbar. Eine existenziell wirkende Bedrohung wird durch die Leichtigkeit der Materialien gleichsam aufgehoben und verwandelt sich in eine Art Metamorphose, die Hoffnung zulässt. Die filigranen, durchscheinenden Materialien, die Marlies Poss zum Teil selbst herstellt, legen die „Nervatur“ der Objekte frei. Die Verbindung von Mensch und Natur kann hier als Metapher für Häutung und Wiedergeburt verstanden werden.

Blanka Wilchforts zentrales Thema ist die Suche nach Identität und Wurzeln. Dieser Prozess wird in sieben chronologisch aufeinanderfolgenden Positionen sichtbar, die als Momentaufnahmen eines Spannungsfeldes zwischen Erstarrung und Lebendigkeit, zwischen Vergangenheits- und Zukunfts- orientierung erscheinen. Die Grundform, die in unterschiedlichen Variationen auftritt, ist ein „Körpergebäude“, das – analog zu einem Gebäudekörper – sowohl Schutzraum als auch Gefängnis sein kann. In die Arbeiten integriert sind Fotos ihrer Vorfahren, Opfer des Zweiten Weltkriegs. Diese sind im Inneren der Skulptur in den Boden eingelassen und erschließen sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick.

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